D&O-Versicherung - Claims-Made-Prinzip (7Ob137/15w) : Hypo Tirol Versicherungsmakler

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D&O-Versicherung - Claims-Made-Prinzip (7Ob137/15w)

Sachverhalt: Der Kläger war Mitglied des Vorstandes eines Unternehmens (Versicherungsnehmerin) und wurde wegen Vertrauensunwürdigkeit entlassen. Das Unternehmen hatte eine D&O-Versicherung abgeschlossen, die für die Organmitglieder und leitenden Angestellten galt.

Der Versicherer gewährte Deckung nur im Rahmen des Verfahrensrechtsschutz im Strafverfahren, verweigerte aber die Deckung aus dem Manager-Haftpflichtschutz für die Abwehr der gestellten Ansprüche. Gemäß den geltenden Versicherungsbedingungen und dem dort normierten Anspruchserhebungsprinzip sei der Kompensationseinwand gegen den Kläger erst nach Beendigung des Versicherungsvertrages erhoben worden. 
Die Beendigung selbst argumentiert der Versicherer damit, dass zufolge der Verschmelzung des Unternehmens mit einem anderen Unternehmen der Versicherungsvertrag lt. Versicherungsbedingungen automatisch abgelaufen sei. Eine Kündigung sei vom Versicherer nur zusätzlich und erklärend ausgesprochen worden. Gemäß den Versicherungsbedingungen ist eine Nachmeldefrist in diesem Falle nicht wirksam, eine Run-Off-Frist wurde nicht vereinbart. Es liege daher kein Versicherungsfall vor.

 

Der Kläger hatte aufrechten Versicherungsschutz aus einer Rechtsschutzversicherung. Er wollte die Feststellung auf die weitere Deckung durch die gegenständliche Haftpflichtversicherung (darin enthaltene Verfahrens-Rechtsschutzdeckung für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren sowie die aktive Prozessführung bei Aufrechnung) für den Fall haben, dass sein Rechtsschutzversicherer für das Arbeitsgerichtsverfahren keine Deckung gewährt.

 

Rechtliche Beurteilung des OGH:

Der OGH stellte klar, dass der Eintrittszeitpunkt eines Versicherungsfalles durch das Gesetz nicht definiert ist, daher muss auf die allgemeinen Versicherungsbedingungen zurückverwiesen werden. In der gegenständlichen Haftpflichtversicherung tritt der Versicherungsfall mit dem Zeitpunkt einer schriftlichen Anspruchserhebung ein.

 

Im Versicherungsvertrag war festgelegt, dass der Versicherungsfall in dem Zeitpunkt als eingetreten gilt, „in dem die erste Inanspruchnahme erfolgt oder das erste Verfahren eingeleitet wird, und zwar je nachdem, welcher der früheste dieser Zeitpunkte ist. Angesichts dieser inhaltlich klaren Regelungen kann ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer diese Bestimmungen nur dahin verstehen, dass - bei Vorliegen identer Pflichtverletzungen - sowohl Haftpflicht-Versicherungsfälle als auch Verfahrensrechtsschutz-Versicherungsfälle zu einem einheitlichen Versicherungsfall verknüpft werden und dass alle zu einem einheitlichen Versicherungsfall verknüpften Versicherungsfälle gleichzeitig im Zeitpunkt des zeitlich ersten Ereignisses als eintreten gelten. Das hat im Ergebnis zur Folge, dass für Bestand und Umfang des Versicherungsschutzes ausschließlich das zeitlich erste Ereignis maßgeblich ist.“

 

Da in diesem Falle das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger unstrittig vor dem Stornozeitpunkt eingeleitet wurde, ist der Versicherungsfall daher jedenfalls innerhalb der Laufzeit des Versicherungsvertrages als eingetreten zu beurteilen. Auch die nach dem Stornozeitpunkt getätigten Aufrechnungseinreden im Arbeitsgerichtsverfahren sind als Gegenstand des Ermittlungsverfahrens anzusehen. Dies deshalb, weil ein einheitlicher Schadenfall aufgrund der Serienschadenklausel anzunehmen ist, wodurch sich die aufgeworfenen Fragen einer Vertragsbeendigung oder einer Nachmeldefrist oder einer Run-Off-Frist erst gar nicht stellen. Die sich daraus ergebende Identität des Versicherungsfalles führt gemäß den geltenden Versicherungsbedingungen zu einem einheitlichen Schadenfall, der mit dem ersten während der Dauer des Versicherungsvertrages eingetretenen Schadenfall (Inanspruchnahme) anzusetzen ist.

 

Die vom Versicherer behauptete Gefahrenerhöhung aufgrund der Verschmelzung des Unternehmens hat auf die Beurteilung dieses Falles keinen Einfluss, da Pflichtverletzungen nach dem Zeitpunkt der Verschmelzung hier nicht verfahrensgegenständlich waren.

 

Der Versicherer hatte daher die Leistung zu erbringen.